Blickpunkte

Gleisdreieck

Blickpunkte am Wegesrand

„Gleisdreieck“

– Erinnerung an die erste Homberger Straßenbahnfahrt –

 

Niemand kann mehr etwas über die erste Straßenbahnfahrt über den Rhein von Ruhrort nach Homberg vor über 100 Jahren erzählen, da es keine Zeitzeugen mehr gibt. Aber es gibt noch viele Menschen, die etwas über die einstige Straßenbahnverbindung zwischen den beiden Stadtteilen berichten können. Vielleicht haben sie auch noch Fotos, die sie einst von der Admiral-Scheer-Brücke und der Straßenbahn gemacht haben.

Es begann alles mit den Verhandlungen über den Bau einer festen Rheinbrücke zwischen den Gemeinden Homberg und Ruhrort im Jahre 1872. Die Anregung zum Bau einer Brücke ging vom Homberger Bürgermeister Lauer aus. Er hatte in Erfahrung gebracht, dass die Köln-Mindener-Eisenbahngesellschaft Überlegungen anstellte, eine Eisenbahn von Sterkrade oder Oberhausen bis Straelen, mit Anschluss an die Hamburg-Venloer-Eisenbahn, zu bauen, mit einer Eisenbahnbrücke über den Rhein unterhalb Ruhrorts. Gemeinsam mit seinem Ruhrorter Amtskollegen, Bürgermeister Weinhagen, schrieb Lauer an den damals zuständigen Minister in Berlin und bat, die Konzession nur unter der Bedingung zu erteilen, dass die Brücke auch für Fußgänger und für Fuhrwerke genutzt werden konnte. Bis zum Jahre 1896 wurden ständig neue Vorschläge bezüglich des Standortes der Brücke vorgebracht; zeitweise war das Projekt gestorben. Die Bürgermeister wiesen immer wieder den Minister auf die Unzulänglichkeit der bestehenden Verkehrsmittel und ihr gänzliches Versagen zu gewissen Zeiten wie z. B. bei Hochwasser und Eisgang hin. Des Weiteren bestand ab 1884 der Gütertrajektverkehr zwischen Homberg und Ruhrort nicht mehr; eine Reisemöglichkeit gab es nur noch mit Hilfe zweier Dampffähren.

Endlich, nach weiteren acht Jahren, nämlich 1904, konnte mit dem Brückenbau begonnen werden. Die Eisenbahngesellschaft in Köln erklärte sich damit einverstanden, dass anstelle einer Eisenbahnbrücke eine Straßenbahnbrücke gebaut wird. Um jedoch eine Verbindung zwischen den Bahnhöfen in Ruhrort und Homberg herzustellen, sollte eine Straßenbahn über die Brücke fahren. Die Straßenbahn sollte eine regelmäßige Beförderung der Reisenden und ihres Gepäckes, unter Einsetzung mehrerer Personenwagen und eines Gepäckwagens, gewährleisten. Die Endpunkte der Straßenbahnhaltestellen sollten in unmittelbarer Nähe des jeweiligen Bahnhofes liegen. Später, beim Bau der Brücke, entstand so die heute noch bestehende Straße „Rheinanlagen“. Auch die Fußgängerrampe, über die man von der Homberger Eisenbahnbrücke oder der Königstrasse zum Hebeturm gelangte, war damals Verhandlungsgegenstand. Die Rampe sollte damals für die Reisenden gedacht sein, die nicht die Straßenbahn benutzten wollten, sondern lieber zu Fuß über die Brücke gingen.
Am 20. April 1907 wurde mit einer kleinen Feier die Brücke, die den Namen „Admiral-Scheer-Brücke“ erhielt, für den öffentlichen Verkehr freigegeben. Wie schon erwähnt, hatte man in die neue Rheinbrücke Straßenbahnschienen eingebaut, so dass am Tag der Brückeneinweihung die erste Straßenbahn von Ruhrort nach Homberg bis zur Endhaltestelle „Gleisdreieck“ (heute „Goetheplatz“) fuhr. Es wurde ungefähr zum gleichen Zeitpunkt an der Ruhrorter Strasse / Ecke Rheinanlagen unmittelbar am Eisenbahnhafen ein Platz geschaffen, der rundherum mit einem Grüngürtel versehen wurde. Dieser Platz hatte keinen besonderen Namen. Da sich dort aber die End- und Umsteigestation der Straßenbahnstrecken Ruhrort – Homberg und Moers – Homberg befand und die Umkehrschienen ein Dreieck bildeten, nannte man diesen Platz einfach „Gleisdreieck“. Mit diesem Namen wurde auch die Haltestelle ausgerufen. Während der nationalsozialistischen Zeit wurde dieser Platz in „Adolf-Hitler-Platz“ umbenannt; seit dem Goethejahr im Jahre 1956 heißt er offiziell „Goethe-Platz“.
Die Straßenbahn hielt an der Haltestelle „Gleisdreieck“ auf der Ruhrorter Strasse in Höhe der Rheinanlagen, fuhr dann rückwärts in die Straße „Rheinanlagen“, um anschließend vorwärts wieder auf die Ruhrorter Strasse in Richtung Ruhrort herauszufahren.
Ein Gleisdreieck dient bei den Straßenbahnen zum Wenden von Einrichtungsfahrzeugen. Die Gleisdreiecke werden meist in Straßenzügen angelegt, wenn aus Platzgründen keine Wendeschleife möglich war. Sie sind so angelegt, dass die Straßenbahn erst an ihnen vorbeifährt, dann rückwärts in das Stumpfgleis hinein- und anschließend vorwärts wieder herausfährt.

Schon am 11. Dezember 1908 fand die Straßenbahn von hier aus Anschluss an das bereits fertig gestellte Schienennetz Homberg – Moers, wobei hier am Goetheplatz nach Moers oder Ruhrort umgestiegen werden konnte. Einige Zeit später wurde das Schienennetz von Moers nach Ruhrort und zurück durchgehend verlegt; das umständliche Rangieren und Umsteigen entfiel somit.
Am 01. Juli 1909 entstanden die Linie Homberg – Friemersheim und 1910 die Strecke Homberg – Baerl. Nachdem die Straßenbahn ca. 45 Jahre dem öffentlichen Verkehr in Homberg gedient hatte, fand am 16. Mai 1953 ihre letzte Fahrt statt; von da an wurden bis 1967 Oberleitungsbusse (O-Busse) eingesetzt, ehe normale Busse diese Linien übernahmen.

Während des Ausbaues der Strasse „Rheinanlagen“ und eines Teilstücks der Ruhrorter Strasse in Höhe der Rheinanlagen wurden im Jahre 2006 vermutlich die letzten Straßenbahnschienen Hombergs entfernt. Der Archivar des Freundeskreis Historisches Homberg e. V., Franz Gerd Gehnen, hat aus einem Teil dieser Schienen eine Skulptur entworfen. Die Skulptur mit dem Namen „Gleisdreieck“ wurde inzwischen an der Ecke Ruhrorter Strasse und Rheinanlagen zur Erinnerung an die Homberger Straßenbahngeschichte von 1907-1953 aufgestellt.