Homberger Geschichte
Ein Gebäude im Wandel der Zeit
– Das Handwerkerhaus in Homberg, Duisburger Straße 196 –
Wer kannte das Haus an der Duisburger Straße 196 in Homberg noch unter dem Begriff „Handwerkerhaus“? Den meisten Hombergern ist dieses Gebäude nur als Nebenstelle des Kreisgesundheitsamtes bekannt. Doch spiegelt sich in diesem Haus wegen seiner wechselvollen sozialen Bedeutung eine eigene Geschichte wider.
Schon um das Jahr 1900 wurde der Bau eines Gesellenheimes, wie in anderen Orten bereits vorhanden, besonders von den Innungen als ein dringendes Bedürfnis für die Bürgermeisterei Homberg erkannt. Die Geschäftsleute fanden keine Unterkunftsstellen für ihr Personal und die zahlreichen Bauhandwerker hatten hohe Kosten für ihre Schlafstellen aufzubringen. Deshalb plante man die Errichtung eines derartigen Hauses auf einem Gelände der Gemeinde Homberg an der Duisburger Straße.
Als Unternehmer trat der Schneidermeister Wilhelm Hoff auf, der sich am 15. Juli 1905 bereit erklärte, ein Gesellenhaus zu erbauen. Der Gemeinderat erkannte in seiner Sitzung vom 8. August 1905 die Notwendigkeit eines Gesellenheimes und gab sich mit dem geplanten Bau einverstanden. Nach Abschluss eines Vertrages zwischen Herrn Hoff und der Gemeinde Homberg am 30. Oktober 1905 begann man sofort mit dem Bau, so dass der Wirtschaftsbetrieb bereits am 1. Februar 1907 eröffnet werden konnte. Das Heim führte die Bezeichnung „Handwerkerhaus“. Es enthielt außer den Kellerräumen und den in allen Geschossen vorhandenen Toiletten noch folgende Zimmer:
Erdgeschoß: 2 Gästezimmer, 1 Küche, 1 Wohnzimmer
I. Obergeschoß: 2 Gesellschaftszimmer, 3. Wohnräume und 1 Badezimmer
II. Obergeschoß: 9 Fremdenzimmer (2 Einzel- u. 7 Doppelzimmer), 1 Zimmer für das Dienstpersonal
Dachgeschoß: 4 Fremdenzimmer (1 Dreibett- u. 3 Zweibettzimmer), 1 Vorratszimmer
Bereits am 24. November 1907 stellte Herr Hoff den Antrag auf Genehmigung zum Verkauf des Handwerkerhauses an einen in der Gemeinde vorhandenen Bewerber. Der Gemeinderat beschloss am 30. November 1907, diese Erlaubnis nicht zu erteilen, vielmehr dafür einzutreten, dass dieses Haus von den Innungen übernommen würde. Die Verhandlungen bezüglich der Baukosten und der Aufwendungen für das Inventar sowie die Übernahme des Hauses durch Interessenten aus Handwerkerkreisen dauerten bis zum 9. Februar 2009 an. Daraufhin erfolgte die Gründung einer Genossenschaft „Handwerkerhaus eGmbH“ durch 18 Handwerksmeister, der am 16. Februar 1909 noch weitere fünf beitraten. Am selben Tag fanden nach den Vorschriften der Satzungen die Wahlen zum Vorstand und zum Aufsichtsrat statt.
Vorstandsmitglieder:
- Bauunternehmer Johann Kerkhoff (Vorsitzender)
- Bäckermeister Anton Dickmanns
- Schreinermeister Wilhelm Böcker
Aufsichtsratsmitglieder:
- Anstreichermeister Karl Schondorff (Vorsitzender)
- Schneidermeister Friedrich Hörnemann
- Anstreichermeister August Jacques
- Schreinermeister Johann Claeßens
- Barbier Hubert Michels
- Schneidermeister Franz Langohr
- Bäckermeister Gerhard Zimmer
- Anstreichermeister Dietrich Kerkhoff
- Anstreichermeister Karl Jansen
In der anschließenden Sitzung des Vorstandes und des Aufsichtsrates beschloss man den Kauf des Handwerkerhauses – einschließlich Inventar – und die Aufnahme einer Anleihe bei der Landesbank Rheinprovinz. Der Gemeinderat war am 3. April 1909 mit der Aufnahme eines Darlehens von 110.000 Mark der Genossenschaft und der Übernahme einer Bürgschaft einverstanden. Die Eintrag in das Genossenschaftsregister beim Königlichen Amtsgericht in Moers geschah am 25. Februar 1909.
Lange währte diese Einrichtung nicht, da sie die finanziellen Möglichkeiten der Innungen überstieg; darum erwarb die Gemeinde das Haus. Infolge des Anwachsens der Zahl der von der Armenverwaltung zu unterhaltenden Waisenkinder und pflegebedürftigen alten Menschen und der großen Schwierigkeiten, die mit der Unterbringung verbunden waren, fasste man den Entschluss, das ehemalige Handwerkerhaus als Alters- und Waisenhaus einzurichten, das bereits am 1. März 1912 bezogen werden konnte. Die Leitung und Verwaltung des Hauses war zuerst einem in der Diakonanstalt ausgebildeten Hauselternpaar und dann vom 1. Oktober 1913 bis März 1924 dem Mutterhaus vom Deutschen Roten Kreuz in Köln-Lindenthal übertragen, danach dem Wohlfahrtsamt der Stadt Homberg (Niederrhein).
Während der Besatzungszeit durch belgische Truppen in den Jahren 1918-1925 wurden sämtliche Wirtschaftsäle, Vereinshäuser usw. zu Massenquartieren. Von diesen Maßnahmen blieb das Haus an der Duisburger Straße 196 nicht verschont.
Im Jahre 1931 folgte wegen der geringen Zahl der untergebrachten Kinder und der zu hohen Kosten die Auflösung des Alters- und Waisenhauses. Dadurch war es möglich, die in dem angemieteten Verwaltungsgebäude Bismarckplatz 6 (Küppers Bank) untergebrachten Abteilungen der Stadtverwaltung Homberg in das Gebäude an der Duisburger Straße 196 überzusiedeln. Im Einzelnen erhielt das neue Verwaltungsgebäude folgende Ämter:
Einwohnermeldeamt, Vermessungsamt, Schulamt, Wohnungsamt, Wohnungsverwaltung, Bauamt, Bauverwaltungsamt, Jugendamt.
Diese städt. Einrichtungen wurden im Jahre 1935 in das Rathaus verlegt, nach dem dieses erweitert worden war. In das leer stehende Gebäude hielt nun die Städt. Bücherei Einzug und verblieb dort bis 1938. Danach nahm die Ortsgruppenleitung der NSDAP bis Kriegsende Quartier in diesem Haus. In den Jahren 1946-1948 war nochmals die Bücherei dort untergebracht. Anschließend richtete man in den unteren Räumen eine Nebenstelle des Kreisgesundheitsamtes ein. Im zugehörigen Hofgelände fand ein Heim für das Deutsche Rote Kreuz Unterkunft. Die oberen Räume dienten zur Aufnahme von Flüchtlingsfamilien. Wie auf dem oberen Foto entnommen werden kann, befand sich in diesem Haus auch mal eine Gastwirtschaft.
Seit der kommunalen Neuordnung zum 1. Januar 1975 ist die Stadt Duisburg Rechtsnachfolgerin der Stadt Homberg. Die Nebenstelle des Gesundheitsamtes Moers blieb noch bis 1977 in diesem Haus. Anschließend richtete man eine Nebenstelle des Gesundheitsamtes der Stadt Duisburg ein, die am 22. März 1979 jedoch wieder geschlossen wurde. Das Deutsche Rote Kreuz zog am 30. September 1984 und der letzte Mieter im September 1986 aus. Seit dieser Zeit stand das Haus leer.
Seitens der Stadt Duisburg sollte dieses Haus zunächst im Schulentwicklungsplan Berücksichtigung finden. Dieses Vorhaben ließ man aber wieder fallen, da die Kosten für eine Modernisierung zu hoch wären. Weitere Überlegungen gingen dahin, das Haus zum Verkauf frei zu geben oder es abzureißen.
Das emsige Bemühen des Freundeskreises Historisches Homberg e.V., das Haus in letzter Minute vor dem Abbruch zu retten und den kulturhistorischen Wert des schönen Gebäudes durch die Aufnahme in die Denkmalliste zu sichern, ließ sich leider nicht verwirklichen; der Abriss erfolgte im Jahre 1989.