Geschichte

53 Jahre „Tante Emma Laden“

Homberger Geschichte

Wohnschiff und Proviantboot der Familie Alefs

 

– 53 Jahre „Tante Emma Laden“ auf dem Rhein –

 

Jahrzehntelang gab es für den Besucher, der auf dem Leinpfad zwischen Essenberg und Homberg entlang spazierte, viel Interessantes zu beobachten. Die Rheinfront war durch Kranschiffe, Bunkerstationen, Lastkähne, Schlepper und vor allem auch durch das Wohnschiff und das Proviantboot der Familie Alefs, die dort verankert waren, geprägt.

Es gab kaum einen Bootsführer auf dem Rhein zwischen Rotterdam und Basel, der Hermann und Elisabeth Alefs nicht kannte. Wenn auf der tagelangen Schleppreise die Vorräte in der Bordküche zu Neige gingen, wurden es höchste Zeit, dass Hermann Alefs mit seinem Proviantboot längsseits festmachte.
Das Warensortiment, dass er auf seinem Proviantboot verstaut hatte, war sorgfältig auf die Bedürfnisse der Schifferfamilie abgestimmt. Die grosse Palette reichte von frischen Brötchen bis zur Wäscheklammer und vom grünen Salat bis zum Kasten Bier.
Im Jahre 1925 hatte Alefs die Idee, mit seinem Bruder August, der in Homberg auf der Friedrichstraße eine Schlosserei betrieb, ein Motorboot zu bauen, um die Menschen an Bord, der an Homberg vorbeifahrenden Schiffe bzw. der dort vor Anker liegenden mit Lebensmitteln zu versorgen. Nach gemeinsamer Planung wurde im Jahre 1926 das Motorboot fertiggestellt und mit einem Pferdefuhrwerk zum Rhein befördert. Hermann Alefs taufte es auf den Namen seiner Frau Elisabeth, im Volksmund „Lisa“ genannt.

Zu dieser Zeit war Hermann Alefs noch Schiffsführer bei der Schifffahrtsfirma „Rhenania“. Er kündigte dort und machte sich als Proviantschiffer selbständig. Fortan war er mit seiner „Lisa“ stetig zwischen Walsum und Friemersheim auf dem Strom und versorgte die vorüberfahrenden Schiffe.
Wegen der Entfernung zwischen Wohnung und dem Boot auf dem Rhein war das tägliche Be- und Entladen des Proviantbootes sehr mühsam. 1932 fasste Hermann Alefs den Entschluss, ein Hausboot zu bauen. Gemeinsam mit seinem Bruder August begann er mit dem Bau. Als Helling dienten die Rheinwiesen, direkt vor der Pumpstation auf der Königstrasse.

Zuerst wurden zwei fest miteinander verbundene Pontons, 18 m lang und 10 m breit, hergestellt. Zusammen mit seinem Schwager Johann Bruckschen, der in Moers-Asberg eine Schreinerei betrieb, wurde darauf das Wohnhaus mit Lebensmittelgeschäft und Warenlager errichtet. Als besonderer Komfort – um diese Zeit keineswegs selbstverständlich – wurde die 130 qm große Wohnung mit Heizung und elektrischem Licht ausgestattet. Um das Wohnschiff von der Helling, sprich „Wiese“ zu bekommen, war man auf einsetzendes Hochwasser angewiesen, das sich im Winter 1932 auch einstellte. Das Wohnschiff wurde zu seinem ständigen Liegeplatz unterhalb der Firma Schmitz & Söhne (Stromkilometer 780, Homberger Reede) geschleppt und dort fest verankert. Von da an diente es als Wohn- und Lagerschiff sowie als Anlege- und Ladeplatz des Proviantbootes.

Im Krieg erlitt das Wohnschiff einige Male leichte Beschädigungen. Gegen Ende des Krieges, als sich feindliche Truppen dem Raum Duisburg näherten, musste alles, was auf der linken Rheinseite lag, abgeschleppt werden, da es sonst von den Pionieren versenkt worden wäre. Die Familie Alefs ließ das Wohnschiff und das Proviantboot auf der Ruhr bis Mülheim schleppen. In den letzten Kriegstagen wurde es aber doch noch von einer Granate getroffen und brannte völlig aus.

Der Wiederaufbau begann nach dem Krieg. Hermann Alefs holte sein Proviantboot auf dem Landweg mittels eines Lastkraftwagens nach Homberg zurück, um es im Rheinpreußenhafen wiederherzurichten.
Inzwischen war sein Sohn Hermann aus der Gefangenschaft zurückgekehrt. Er wurde im Fährdienst für die „Gute-Hoffnungs-Hütte“, die mit den Trümmerbeseitigungsarbeiten der ehemaligen Admiral-Scheer-Brücke beauftragt war, tätig. Als die Brückentrümmer aus dem Rhein und der Ruhr entfernt worden waren und man die Schleusen wieder befahren konnte, holte Hermann Alefs die Reste des ausgebrannten Wohnschiffes – die Pontons – von Mülheim nach Homberg zurück. Im Homberger Eisenbahnhafen wurde von den Brüdern Hermann und August sowie von Hermann Alefs jr. in harter Arbeit das Wohnschiff wieder aufgebaut. 1949 konnte es endlich auf seinem alten Liegeplatz unterhalb der Firma Schmitz & Söhne erneut verankert werden.

Im Januar 1950 eröffneten Hermann Alefs sen. und jr. das Proviantgeschäft neu und bedienten die vorüberfahrenden Schiffe. Auf dem Wohnschiff betrieben ihre Ehefrauen Elisabeth und Gisela ein Lebensmittelgeschäft. 1951 hatte die alte „Lisa“ ausgedient und wurde durch ein neues Proviantboot ersetzt. 1964 verstarb Hermann Alefs sen. und im Jahre 1968 seine Ehefrau Elisabeth. Daraufhin übernahmen Hermann Alefs jr. und seine Frau Gisela das Proviantboot und das Lebensmittelgeschäft.
Bis 1984 war dem aufmerksamen Spaziergänger am Rhein und den vorüberfahrenden Schiffern das Proviantboot ein vertrautes Bild. Doch bereits in den 70er Jahren machten sich die Auswirkungen einer modernisierten Schifffahrt bemerkbar. Die Umstellungen vom Schleppschiff zum Motorschiff und schließlich zum Schubverband bekamen die Alefs deutlich zu spüren. Weniger Personal auf den Schiffen, kürzere Fahrzeiten, die Möglichkeit, mit dem Motorschiff beliebig anzulegen, um sich im Supermarkt zu versorgen, waren die Gründe für das zurückgehende Geschäft, so dass die Alefs 1984 auch aus Altersgründen den Betrieb aufgaben. Ein Stück Homberger Rheinromantik war unwiederbringlich dahin.

Das Proviantboot wurde noch im gleichen Jahr verkauft. 1985 ging auch das Wohnschiff nach Holland, wo es in Krimpen/Issel einer holländischen Familie als Wohnhaus dient.
Die Familie Alefs lebt seit dem in einem schmucken Häuschen an der Königstraße, ca. 100m vom ehemaligen Ankerplatz des Wohnschiffes entfernt. Geblieben sind die Erinnerungen an einen 53 Jahre stromauf und stromab bekannten „Tante Emma Laden“ auf der Homberger Reede.